Bei der Bäckerei gegenüber vom Parkeingang hat sie sich ein Stück Topfenstrudel geholt. Mit der verpackten Süßspeise in der Hand sucht sie nach einer Bank. Doch keine erscheint ihr geeignet: entweder zu schattig oder von Taubenkot verdreckt. Sie setzt sich schließlich zögernd auf eine Bank innerhalb eines umzäunten Spielplatzes. Da es eher kühl und bewölkt ist, sind fast keine Eltern mit ihren Kindern dort. Drei ältere Buben laufen abwechselnd die Rutsche von unten hinauf, wobei einer ziemlich heftig hinschlägt. Er schaut danach nur noch seinen Freunden zu.
Vorsichtig faltet sie den Strudel aus dem Papier. Er liegt auf einem Pappteller. Sie bricht kleine Stücke herunter. Dabei versucht sie nur ihre Fingerspitzen zu benützen. Aus dem Augenwinkel nimmt sie eine Bewegung wahr. Sie schaut in die Richtung und sieht eine Krähe, die sich hüpfend nähert. Kurz überlegt sie ihr ein Stückchen anzubieten, verwirft den Gedanken aber wieder. Die Krähe positioniert sich in Reichweite zur Bank.
Sie beobachtet wieder die Jugendlichen. Der Kleinste von ihnen stellt sich am geschicktesten an, obwohl er die kürzesten Beine hat. Der Ältere, der vorhin hingefallen ist, hat offensichtlich keine Lust mehr. Er ruft den beiden anderen zu „ich geh zu Melvin“. Kurz diskutieren die Beiden, ob sie auch gehen, schlendern dann aber zum Schaukelgerüst. Bevor sie das Verpackungspapier in den Mistkübel wirft, schüttelt sie es vor der Bank aus.
Entlang der großen Wiese geht sie in Richtung Ausgang. Sie sieht den Ball aus der Bahn geraten und von der Wiese auf den Weg rollen. Sie kann genau vorhersagen, dass er ihren Weg kreuzen wird. Gegen ihren Impuls den Ball zu ignorieren, nimmt sie ein paar Schritte Anlauf und schießt ihn hart zwischen Bank und Baum zurück. Von der Wiese kommt Klatschen.
Als er um die hintere Ecke des Klohäuschens biegt, ist Siad schon da. Irgendwie ist es zur Gewohnheit geworden, dass sie sich hier treffen. Der Bereich ist vom Gehweg nicht einsehbar, nur ab und zu schnüffelt ein Hund vorbei. Sie sitzen auf der niedrigen Balustrade, die den Weg von den Büschen dahinter trennt. Mit der Zeit schneidet das Geländer unangenehm in den Oberschenkel. Trotzdem verändern sie ihre Haltung nur unwesentlich. Es scheint fast als wäre es ein Zugeständnis an die Wichtigkeit ihrer Treffen. Er hat einen Flasche Organgensaft und zwei Croissants dabei. Den ganzen Tag freut er sich schon darauf Siad eine neue Passage zu zeigen, an der er lange gearbeitet hat. Er faltet den Zettel auseinander und liest:
Der Himmel war in sich zusammengefallen und lag jetzt unordentlich auf der Erde. Die Umherstehenden konnten sich nicht erklären, wie das zuvor weltumspannende Volumen auf die Größe eines Tümpels zusammengeschrumpft war. Er ähnelte jetzt einer bleigrauen Cellophanhülle in der sich nichts spiegelte. Nur ein paar weiße Schlieren durchzogen den Himmel wie Beweise für Chemtrails. Möwen begannen am Himmel zu picken und Stücke aus ihm heraus zu rupfen. Ein Schauer durchfuhr den Himmel, oder das, was von ihm übrig war und er wechselte in schneller Farbabfolge von violett nach grün nach gelb nach schwarz. Verstohlen begannen erst wenige, dann immer mehr Menschen einen Teil der Hülle wegzureißen.
Siad sagt erstmal nichts. Dann sagt er „lies es nochmal“.
Luise schaut den beiden Kindern ihrer Freundin zu, wie sie einen Hindernisparcours für Ameisen bauen. Die Ameisen finden aber immer Möglichkeiten neben den Hindernissen vorbeizukommen. Manchmal stellt sie sich vor, wie die Welt aus einer Insektenperspektive aussehen müsste. Als Kind hat sie sich in einem Buch ihrer Mutter eine Zeichnung immer wieder angesehen. Darauf war ein Riese zu sehen, der, auf einem Bergrücken liegend, nach Autos auf der darunter liegenden kurvigen Straße greift, um sie dann genüsslich in den Mund zu stecken. Als sie lesen konnte, stand im Text darunter: Außen sind sie etwas knackig, aber innen schön weich. Sie legt sich auf den Boden, um näher bei den Ameisen zu sein.